GESPRAECH MIT GEORG RATZINGER, 9/9/06
Palma hat mir diesen Artikel geschickt, um ins Englisch zu uebersetzen - das hab' ich getan. Viele Danke, PALMA!
Domkapellmeister Georg Ratzinger
im Gespräch mit Silvia Schreiber
Meine Musik –Bayern 4 Klassik
Domkapellmeister Georg Ratzinger im Gespräch
mit Silvia Schreiber am Samstag, 9. September 2006
„Herzlich willkommen“, sagt Silvia Schreiber. Zur heutigen Ausgabe begrüße ich den langjährigen Domkapellmeister von Regensburg, den Organisten und Dirigenten Georg Ratzinger. Ich freue mich, dass Sie, Herr Ratzinger, hier sind mit Ihrer Musik.
Guten tag, grüß Gott.
Herr Ratzinger, Sie sind ein leidenschaftlicher Musikhörer. Zu welcher Gelegenheit hören Sie denn Musik, muss es da rundherumganz leise sein.
Nein, ich bin da ziemlich unempfindlich. Ich bin ja jetzt im Ruhestand, ich habe nur mehr sehr wenige berufliche Verpflichtungen und kann wegen meines Augenleidens nicht mehr lesen deshalb ist mir das Musikhören ein großes Anliegen und eine große Hilfe in dieser Einsamkeit, die sich durch das nicht mehr lesen können ergeben hat.
Der Name Ratzinger ging am 19. April 2005 ab 18.43Uhr um die Welt, als ihr Bruder zum Papst gewählt wurde. Wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert, Herr Ratzinger?
Mein Leben hat sich dadurch verändert, dass die Besuche meines Bruders, des jetzigen Heiligen Vaters in Regensburg nicht mehr möglich sind. Den großen Pastoralbesuch, kann man ja in dem Sinne nicht als Besuch bezeichnen. Die früheren Besuche waren eben privat und angenehm. Die fallen jetzt weg. Ich fahre etwas öfter nach Rom, aber auch da ist natürlich der Kontakt nicht so intensiv. Das andere, wodurch sich mein Leben verändert hat, ist, dass viele Leute und viele Medien plötzlich an mir Interesse gefunden haben.
Davon nehmen wir uns heute ja auch nicht aus. Wir haben Sie auch eingeladen in die Sendung und werden sicherlich auch über Ihren Bruder sprechen, über Ihre gemeinsame Kindheit, ihren gemeinsamen Weg, ein Besuch bei den Salzburger Festspielen und über Ihre erste Musik. Die erste Musik, die wir hören werden, die kam blitzschnell, als ich Sie gefragt habe, nach Ihren Musikwünschen, nämlich die Triosonate in Es-Dur von J.S. Bach, der dritte Satz. Was verbinden Sie mit dem Werk?
Ich habe das Werk von Karl Richter gehört, als er frisch nach München gekommen war. Ganz München war gespannt auf diesen neuen Künstler, der Professor werden wird an der Musikhochschule
und der an der Markus-Kirche wirken wird. Und ich bin auch in das Konzert hingegangen und war vom ganzen Konzert schlechthin fasziniert und am meisten hat sich eingeprägt der dritte Satz der triosonate, die ich immer wieder gerne höre.
Die Triosonate Es-Dur von J.S. Bach BWV 525, der dritte Satz war das, Allegro, mit Karl Richter an der Orgel. Meine Musik heute mit Georg Ratzinger....30 Jahre waren Sie Domkapellmeister
in Regensburg. Bach war ja Protestant, Sie sind Katholik, die Regensburger Domspatzen auch katholisch. Macht das denn in der Religiosität der Musik einen Unterschied?
Das macht keinen Unterschied. Bach ist so religiös und so typisch christlich religiös, da kommen die dogmatischen Unterschiede überhaupt nicht zum tragen, im Gegenteil: Bach kann auch für unser religiöses Leben Vieles beitragen. Ich gestehe, dass das nicht immer so gesehen wurde. Das ist doch ein Ergebnis der ökumenischen Bewegung. Aber heute dürfen wir sagen, dass Bach ein gemeinsamer, geradezu musikalischer Kirchenvater ist, der uns allen viel religiöse Hilfe geben kann.
Drei Kinder waren Sie zu Hause, Joseph Ratzinger, Maria und Sie. Welche Rolle spielte die Musik. Waren alle drei Kinder so musikalisch wie Sie?
Mich hat die Musik von Anfang an am meisten fasziniert, aber wir waren alle drei musikalisch. Die Hauptrolle in unserem frühen Kindesleben mit der Musik bestand darin, dass der Vater Zither gespielt hat und die ganze Familie hat sich um ihn versammelt, das waren z.t. Märsche und vor allem auch Lieder, z.t. etwas sentimental nach dem heutigen Urteil und Geschmack, aber es hat fasziniert. Es war immer ein Familienereignis, wenn der Vater abends Zither gespielt hat und wir alle ihm zuhören durften.
Haben Sie dann Hausmusik gemacht?
Die Hausmusik hat sich eben auf die tätigkeit des Vaters beschränkt, wir waren nur Hörende!
Haben Ihre Geschwister auch Instrumente gespielt außer Ihrem Bruder Klavier und Sie Orgel, Ihre Schwester?
Wir haben alle drei Klavier gespielt, zunächst Harmonium. Meine Eltern waren der Meinung, dass das Harmonium am besten für die Orgel vorbereitet, denn Orgel war nach dem Urteil unserer Eltern das wertvollste und gültigste Instrument. Das kam eben von der religiösen Orientierung unserer Eltern her. Und da meinten sie, das Harmoniumspiel würde besser vorbereiten. Später sind wir aufmerksam gemacht worden, dass nicht das Harmonium, sondern das Klavierspiel eben dafür vorbereitet.
Wir hören jetzt Musik von Monteverdi, die Sie mitgebracht haben. Was verbinden Sie mit dieser Messe?
Diese Messe haben wir zusammen unter der Leitung von Hanns-Martin Schneidt eingespielt. Wir haben die Messe auch im Dom gesungen unter der Leitung von Herrn Schneidt und da geht eine wunderbare Atmosphäre von dieser Musik aus, die in einer Weise religiös ist, dass sie einen intensiv direkt hinführt zum Gebet und zur Mitfeier der Liturgie.
Aus dieser Messe hören wir jetzt das „Kyrie“.... Zwei Brüder einer Familie werden Geistliche, d.h., Sie hatten ein sehr religiöses Elternhaus, hatten Sie auch so etwas wie ein Schlüsselerlebnis.
Ein besonderes Schlüsselerlebnis hatten wir nicht. Es war einfach das tägliche religiöse Leben, das uns geprägt hat und das Beispiel der Eltern, das uns überzeugt hat. Der Jahresablauf, jeder Sonntag war ganz selbstverständlich charakterisiert durch den Kirchgang am Vormittag und auch noch den Besuch der Andacht am Nachmittag. Da war ein persönliches Schlüsselerlebnis nicht mehr nötig, sondern einfach das religiöse tun und Denken und Leben.
Betrachten Sie denn Ihren Bruder in erster Linie als Ihren Bruder oder als Ihren Papst?
Nein. Ich betrachte ihn vor allem als meinen Bruder. Als Priester ist er für mich Vorgesetzter, Papst. Aber das Unmittelbare ist doch das brüderliche Verhältnis, das eben seit meinen frühesten Erinnerungen gegeben ist. Und es gibt ein lateinisches Axiom, das heißt: „Die Gnade zerstört die Natur nicht, sie baut auf ihr auf und erhöht sie“. Das ist bei uns auch. Das natürliche Verhältnis bleibt bestehen und durch das religiöse Erleben bekommt das noch eine besondere Note.
Das heißt, Sie sprechen ihn weiterhin als Joseph an und nicht als Benedikt XVI.
Ja, natürlich. Alles andere wäre doch unnatürlich.
Wir hören jetzt Karl Richter, wieder ein Orgelwerk, die Fuge aus Präludium und Fuge in e-Moll von J.S. Bach (BWV 548). Haben Sie das auch selbst gespielt, Herr Prälat?
Ich habe das auch selbst gespielt, jawohl. Es war für mich schon ein bisschen die Grenze dessen, was ich spielen konnte, aber Karl Richter hat es so gespielt, dass es mich hingerissen hat.
Gehört haben Sie Karl Richter live, als Sie in München studiert haben. Der Kirchenmusik haben Sie sich an der Musikhochschule gewidmet. Ab 1951 war das. Bis dahin sind Sie Ihren Weg gemeinsam mit Ihrem Bruder gegangen. Wie war denn der Alltag im Priesterseminar der Erzdiözese München und Freising, Herr Prälat?
Da ist auch jeder seiner eigenen Wege gegangen. Jeder hatte seine Freunde, Kollegen gefunden aus dem eigenen Interesse heraus, bei mir mehr das musikalische, bei meinem Bruder mehr das theologische. Insofern war auch dieses gemeinsame Beisammensein nicht exklusiv. Da war es dann wieder mehr in den langen Hochschulferien.
D.h. die Abende sahen nicht so aus, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Bruder theologische oder musikalische Diskussionen geführt haben?
Nein. Der Abend war überhaupt ein bisschen anders. Abends gab es eine geistliche Lesung, gemeinsames Abendgebet und dann war Silentium im Priesterseminar, das ich auch für gut gefunden habe, weil es irgendwie den Menschen zur Konzentration und zur Innerlichkeit führt, was ich doch für wesentlich halte für den geistlichen Beruf.
Herr Prälat, wenn man sich als junger Mann für das Priesterdasein entscheidet, dann ist das gleichzeitig eine Entscheidung gegen eine eigene Familie. Kamen da nie Zweifel auf bei Ihnen?
Ich muss gestehen, da hatte ich eigentlich keine Zweifel, denn ich habe es auch erlebt, dass der Priester in seiner Pfarrei so intensiv gefasst und engagiert ist, dass das wirklich eine Erfüllung des Lebens bringt. Ich habe auch nur unsere Familie kennen gelernt, die wir gepflegt haben und in der wir immer wieder zusammengekommen sind. Ich erlebe jetzt oft junge Menschen, die nicht nach Hause fahren, obwohl Sie es könnten. Das war bei uns nicht so. Wenn wir Ferien hatten, sind wir nach Hausegefahren. Das war das Familienerlebnis, gegen das ich kein vergleichbares stellen hätte können.
Sie hatten ja dann als Domkapellmeister und Leiter der Regensburger Domspatzen sozusagen haufenweise eigene Kinder.
Das ist richtig.
Haben Sie denn noch Kontakt zu ehemaligen Spatzen. Ich glaube ab und zu kommen einige zu Ihnen und lesen Ihnen etwas vor?
Das ist richtig. Es kommen ehemalige Domspatzen und lesen mir vor, weil ich ja selber nicht mehr lesen kann und das Vorlesen ist doch etwas angenehmer und produktiver als das Lesen am Lesegerät. Und ich merke, dass eine gewisse Verbundenheit da ist.
Knabenchöre tauchen ja immer mal wieder in den Medien auf, weil es dort angeblich einen recht rüden Umgangston gäbe zwischen Chorleitern und Kindern. Wie war das denn zu Ihrer Zeit?
Es ist natürlich so, dass bei einem Knabenchor eine gewisse Entschiedenheit nötig ist, denn die Chorarbeit muss geleistet werden, auch wenn das Wetter so ist, dass man lieber zum Baden ginge oder Fußball spielen würde. Die Arbeit muss einfach geleistet werden. Da ist eine gewisse Entschiedenheit im ton nötig. Das Vokabular ist bei jedem Chorleiter wohl anders.
Musik von Ihrem Vorgänger haben Sie sich ebenfalls gewünscht, von Theobald Schrems. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Ihrer und seiner Amtszeit ist, dass Sie den Chor in die Welt hinaus gebracht haben mit vielen Konzertreisen. Was hat Sie denn in die weite Welt gelockt, nach Kanada, nach Japan, nach Polen, nach Irland und noch einige Länder mehr?
Ich muss gestehen, auch mich hat das nicht so sehr gelockt, sondern es hat sich einfach ergeben, es waren Einladungen da und ich habe es natürlich als selbstverständlich empfunden, dass man diese Einladungen annimmt, soweit irgendeine Möglichkeit dazu besteht, weil man das dem Chor schuldig ist, dass er nicht bloß am Ort tätig ist, sondern dass er auch in die Welt hinaus geht und seine Botschaft in die Welt hinaus trägt. Auch weil die jungen Menschen da Anregungen empfangen und Erinnerungen bekommen. Ich hab das einfach als eine Aufgabe empfunden, der ich mich nicht entziehen darf. Das ist gar nicht von mir ausgegangen, aber ich war sehr froh und sehr dankbar, dass dies an mich herangekommen ist.
Wir hören jetzt die Regensburger Domspatzen unter Leitung von Theobald Schrems mit Mozart, mit dem „Lacrimosa“ aus dem Requiem, eine Aufnahme aus dem Jahr 1956, acht Jahre bevor sie zu den Domspatzen kamen....Herr Prälat, Sie sind 1941 gemeinsam mit Ihrem Bruder, dem späteren Papst, nach Salzburg gefahren und haben dort Mozart gehört.
Richtig, es war ein Konzert im Rahmen des Mozart-Jubläums anlässlich des 150. todesjahres. Das Konzert fand im Großen Saal des Mozarteums statt und im ersten teil waren geistliche Werke und der zweite teil bestand zum teil aus solistischen Darbietungen, z.B. das Bandel-terzett, der Schauspieldirektor und einige Bearbeitungen z.B. von „Cosi fan tutte“. Es waren einige Dinge, die haben mich total fasziniert und ich muss gestehen, ich habe die ganze Nacht lang nicht geschlafen.
Als Sie 1941 in Salzburg waren, was für eine Stimmung herrschte in der Stadt, Österreich war bereits angegliedert?
Ich muss gestehen – ich glaube wir sind mit dem Rad rüber gefahren und mit dem Rad wieder nach Hause. Wir haben in der Stadt keinerlei Kontakte gehabt. Wir sind über Nacht geblieben in dem Hotel „tiger“. Ich weiß heute noch, die Übernachtung hat 3 Mark 50 gekostet damals, aber mit der Stadt hatten wir eigentlich keinen Kontakt. Wir haben nur einige Auslagen in der Innenstadt gesehen, Buchläden und Musikläden, da waren Bilder drin, Fotos von den Musikstars, Partituren. Die haben uns schon sehr fasziniert, aber ansonsten kann ich von dem Eindruck in der damaligen Stadt eigentlich nichts sagen.
Also für 3 Mark 50 kann man heute in Salzburg nicht mehr übernachten, da bekommt man nicht mal eine Tasse Kaffee.
Das ist richtig. Da ist viel Zeit darüber hinweg gegangen.
Ihr Bruder schätzt die Musik Mozarts sehr. Ist die Verehrung Mozarts eine weitere Verbindung zwischen Ihnen?
Ja, ich muss gestehen, in traunstein, wo wir doch große teile unserer Jugendzeit verbracht haben, wird allgemein die Musik Mozarts geschätzt. An den hohen Festtagen wurden oft Mozart- Messen aufgeführt. Ich glaube, das liegt auch in der Luft da drunten, die Liebe zu Mozart. Und dann finde ich, die Musik Mozarts ist einfach unmittelbar. Die moderne Musik, da muss man oft lange Kommentare anhören und viel geistige Operationen vollziehen, bevor man weiß, was die eigentlich will. Die Musik Mozarts spricht einen unmittelbar an, ohne dass sie banal ist, behält ihre tiefe und spricht den Menschen in seinem Menschsein an.
Wir hören jetzt nochmals Musik des Salzburger Mozart, einen Auszug aus der c-Moll-Messe, das Kyrie. Es sollte unbedingt eine Aufnahme mit Leonard Bernstein sein, weshalb Herr Ratzinger?
Ein ehemaliger Domspatz hat mich vor einiger Zeit besucht und hat mir diese Einspielung gebracht. Ich habe sie angehört. Er selbst war schlechthin fasziniert davon und ich bin es auch. Ich glaube, dass das wirklich eine gültige Einspielung ist, die den Menschen sehr ergreifen kann.
Drei Jahre sind Sie älter als Ihr Bruder. Ein Abstand, den man als Kind schon spürt. Wann war denn Joseph nicht mehr Ihr kleiner Bruder.
Das kann ich jetzt nicht mehr so sagen. Wohl, als wir beide von der Kriegsgefangenschaft nach Hause kamen, da waren wir irgendwie in der gleichen Situation. Abitur hatten wir keines, sondern nur den Reifevermerk, der zum Hochschulstudium berechtigte unter der Voraussetzung, dass man noch einige
Kurse nachholen würde, aber beide hatten wir den Krieg hinter uns, beide hatten wir die Gefangenschaft hinter uns, wir waren erwachsen. Ich glaube, von da an waren wir in etwa auf der
gleichen Augenhöhe.
Sie halten intensiv Kontakt mit Ihrem Bruder, jetzt natürlich vor allem per Telefon. Diskutieren Sie da am Telefon oder geht das da mehr um alltägliche Dinge?
Nein, wir diskutieren am telefon nicht, das telefonieren kostet ja schließlich auch etwas. Manche Leute denken an die telefonkosten gar nicht. Wir in der Familie mussten den Pfennig doch irgendwie immer umdrehen und das ist uns nicht ganz aus dem Sinn gekommen. Wir besprechen die alltäglichen Dinge, die uns wichtig sind, die abgemacht werden müssen, die Eindrücke, die uns bewegen, die gewesen sind, aber davon abgesehen, ich mag auch so „Langtelefonierer“ gar nicht gerne.
Aber die Stimme zu hören, ist doch etwas Schönes?
Es ist immer wieder angenehm. Wir begrüßen uns herzlich. Ich freue mich, wenn mein Bruder am telefon ist.
Sie nutzen ja auch so oft es geht die Gelegenheit, Ihren Bruder zu besuchen. Wo wohnen Sie denn da? Sehen Sie ihn dort auch?
Wenn mein Bruder im Vatikan ist, wohne ich im Vatikan. Die päpstlichen Gemächer sind im 4. Stock, meine Gemächer sind im 5. Stock und oben drüber ist noch der Dachgarten. Wir sehen uns natürlich beim gemeinsamen Zelebrieren. Dann betet er mir das Brevier-Gebet vor, die Mühe macht er sich gerne. Wir sind bei den Mahlzeiten zusammen. Dann vor und nach den Mahlzeiten ist noch ein kleiner Ratsch möglich. Das reicht in etwa auch. Und dann auf dem Dachgarten besteht auch die Möglichkeit zu einem kleinen Spaziergang oder sonst auch in den Vatikanischen Gärten oder, wenn wir im Sommer in Castel Gandolfo sind, im Park des Palastes.
Wenn Sie von Papst-Bier, Papst-Tassen hören, an was denken Sie denn bei den Souvenirs mit dem Bildnis Ihres Bruders drauf?
Da muss ich ein bisschen lächeln. Ich finde es ein wenig kurios, aber andererseits ist es so. Es gibt Leute, die sich mit Mühe durchs Leben schlagen, die meinen, dass sie da ein paar Kreuzer dazu verdienen können, die gönn’ ich Ihnen gerne. Aber an sich finde ich es ein bisschen kurios.
Wir haben jetzt gleich noch einmal Mozart, denn Sie wünschen sich das Terzett „Seid uns zum zweiten Mal willkommen“ von den drei Knaben aus der Zauberflöte. Haben Sie die Zauberflöte einmal auf der Bühne gesehen?I
ch habe sie wiederholt gesehen und wir haben die Knabenterzette in Saal-Konzerten auch öfter gesungen ohne den Kontext der ganzen Zauberflöte, sondern einfach nur diese Stücke heraus genommen. Die haben die Buben immer sehr gerne gesungen, das Publikum hat sie immer wieder gerne gehört.
Soweit das Terzett „Seid uns zum zweiten Mal willkommen“ von den drei Knaben aus dem dritten Akt der Zauberflöte von W.A. Mozart, begleitet von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan. Ganz wichtig war Ihnen diese Aufnahme, Herr Ratzinger. Was schätzen Sie an Karajan?
Ich schätze Karajan als einen großen Musiker, einen großen Dirigenten. Ich weiß, es ist ein wenig unmodern mittlerweile, ihn zu loben. Es wird allerhand an ihm ausgesetzt, aber das ist das Problem, dass die Väter eigentlich nicht angesehen sind. Die Großväter erfahren wieder mehr Respekt. Aber ich finde einfach, es ist doch eine Musik, die einen enormen Klangsinn verrät und mit großer Musikalität die Melodien gestaltet. Ich finde nicht alles gleich gut bei ihm - so viel erlaube ich mir zu sagen - aber das meiste respektiere ich sehr und ich verehre ihn als einen ganz großen Dirigenten.
Heutzutage führt man Kinder ja ganz gerne in die Welt der Oper mit der Zauberflöte. Haben Sie in Ihrer Kindheit die Zauberflöte schon gekannt?
Nein, ich habe sie nicht gekannt, aber es gab ein Harmonium- Album und da drin war das Stück „Der Vogelfänger bin ich ja“ und das war das einzige, was ich kennen lernte. Das hat mich damals nicht so tief angesprochen. Ich bin erst später auf diese wunderbare Musik gekommen.
Wenn zwei Brüder den geistlichen Beruf wählen, dann stellt man sich vor, dass das zwei brave Kinder gewesen sein müssen. Trifft das auf Sie zu?Wir waren ganz normale Kinder, glaube ich. Natürlich haben wir auch gestritten und gerauft, natürlich. Eine besondere Bravheit möchte ich uns nicht zusprechen. Ich nehme in Anspruch, dass wir ganz natürliche Buben waren, wie halt Buben sind.
Also auch mal ein Streich?
Natürlich, jawohl.
Mit Ihrem nächsten Musikwunsch kommen wir zu Ihrem Beruf, den sie dreißig Jahre lang ausgeübt haben, nämlich Domkapellmeister. Wir hören die Regensburger Domspatzen mit Musik von Josef Rheinberger, geleitet von Ihnen. Können Sie uns Josef Rheinberger ein bisschen vorstellen?
Die Musik Josef Rheinbergers lernte ich im Seminar in Traunstein kennen und meine Freunde und ich waren von seinen Werken unmittelbar sehr angetan. Die Chorliteratur, die wir lernten und die wir aufführten, war in der Regel sehr einfach und da sind die Werke Rheinbergers heraus gefallen. Rheinberger war in der Diözese Regensburg eigentlich unbekannt, denn der Gründer des Allgemeinen Cäcilienvereins, Franz Xaver Witt, der in Regensburg gewirkt hat, hat ihn sehr negativ beurteilt.
Ich sehe es als mein Verdienst an, dass mittlerweile Josef Rheinberger auch in Regensburg in Kirchenmusikkreisen häufig aufgeführt wird. Ich glaube, dass er einer der führenden Kirchenkomponisten, überhaupt Komponisten des 19. Jahrhunderts ist, ein großer Meister des tonsatzes mit einem wunderbaren Orgel-Oeuvre. Er hat auch Singspiele, Instrumentalmusik geschrieben und alles hat eine sehr persönliche Handschrift, ist technisch sehr gekonnt und einfach unmittelbar ansprechend. Ich halte ihn für einen großen Meister.
Wir hören das „Agnus Dei“ aus der Messe op. 117. Herr Ratzinger, können Sie sich noch erinnern, wann Sie diese Aufnahme gemacht haben?
Das war in den letzten Jahren, in denen ich noch Dienst tat (1993).
War es eigentlich wehmütig für Sie, dann den Dienst aufzugeben?
Es war schon wehmütig, muss ich gestehen. Es fiel mir schon schwer, dann eben die gleichen Knaben- und Männerstimmen, die ich noch zu guten Chorsängern erzogen hatte, unter anderer Leitung zu hören, obwohl ich mit meinem Nachfolger ein gutes Verhältnis habe und ihn auch schätze. Aber momentan war es für mich schon schmerzlich. Auch das Leben von der Frühe bis zum Abend, dauern unter jungen Leuten zu sein, zu leben, um sich zu haben, und dann plötzlich die große Ruhe, das brauchte
etwas Umstellung. Aber es war gut so. Ich glaube, ich habe noch den richtigen Zeitpunkt gefunden aufzuhören, wo die Leute sagen, „Schade, dass er geht!“ und nicht gesagt haben „Gott sei Dank, dass er jetzt aufhört!“.
Mit ihrem nächsten Musikwunsch kommen wir zu einem Werk, was Schüler gelegentlich auswendig lernen mussten und heute vielleicht noch auswendig lernen müssen, die „Glocke“ von Schiller. Sie wünschen sich die Vertonung von Andreas Romberg.
Ich habe das Werk kennen gelernt im Schulchor im Traunsteiner Gymnasium. Wir probten einmal in der Woche am Samstagmittag und da waren alle Buben, die singen konnten und wollten vom Gymnasium dabei und auch alle Mädchen von der 5.-13. Klasse und die Männerstimmen. Dieses Werk hat mir von Anfang an gefallen und mich begeistert. Und in dem Werk gibt es dann den Schlusschor mit dem Appell an die Eintracht und an den Frieden. Es ist eine unkomplizierte, unproblematische, aber doch sehr musikalische Komposition, die Freude machen kann.
Das war der Schlusschor aus der Glocke op.25 von Andreas Romberg mit dem Chorus musicus Köln und dem Neuen Orchester. Christoph Spering hatte die Leitung. Wir sind jetzt fast am Ende unserer Sendung. Haben Sie einen Leitsatz im Leben?
Einen besonderen Leitsatz habe ich nicht. Aber ich habe Grundsätze, glaube ich. Ich habe aus der Heiligen Schrift, aus dem theologiestudium doch so viel religiösen Fundus, dass ich die Formulierung durch einen besonderen speziellen Satz nicht so unbedingt nötig habe, obwohl er irgendwie gut wäre.
Das heißt, Sie haben das alles im Kopf und im Herzen?
Im Kopf weiß ich es nicht, im Kopf fehlt allerhand.
Sie sind so bescheiden. Zum Abschluss hören wir noch den Schluss aus der h-Moll-Messe von J.S. Bach, gewünscht von Georg Ratzinger. Wie nahe geht Ihnen diese Musik von Bach?
Bach ist doch der Gipfel menschlicher Kulturleistung überhaupt und speziell musikalischer Ausdrucksfähigkeit, und die ist ebenso zutiefst gläubig und auch christlich, so dass ich sagen
muss, dass das Menschliche, das allgemein Humane und das christliche Denken sich so verbinden, dass es irgendwie doch für mich auch ein Beweis ist für die Gültigkeit des Christlichen. Bach war evangelischer Christ, aber da sieht man auch, dass das ein Christentum ist, das wirklich die Botschaft Christi homogen weiter verkündet und durch die Jahrhunderte trägt.
Das ist ein schönes Schlusswort von Ihnen. Herr Domkapellmeister Georg Ratzinger. Alles Gute für Sie, für Ihre Gesundheit, das wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie weiterhin so oft wie möglich nach Rom reisen können, um Ihren Bruder zu treffen.
Vielen Dank für die guten Wünsche und alles Gute.
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Das vorliegende Interview wurde vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet und am Samstag, 9. September 2006, um 11.00 Uhr in Bayern 4 Klassik in der Sendung „Meine Musik“ ausgestrahlt. Christof Hartmann hat das Interview abgeschrieben und dann vor Drucklegung nochmals mit Domkapellmeister Georg Ratzinger besprochen. Dabei wurden einige wenige Kürzungen und Korrekturen des gesendeten textes vorgenommen.
[Modificato da TERESA BENEDETTA 09/01/2007 0.44]